LOHN+GEHALT 03/2016: Der neue Mann
Wer Steven van Tuijl begegnet, erkennt schnell, mit welchem Elan er seine Arbeit mit Werten füllt. Integrität und Wertschätzung sind für ihn die Voraussetzung jeder Zusammenarbeit, ob mit den Kunden oder seinen Mitarbeitern. Daran lässt er keinen Zweifel aufkommen, auch nicht in seinem Gespräch mit LOHN+GEHALT
Herr van Tuijl, der technische Fortschritt hat die Welt verändert, die Wirtschaft wird vernetzt und digitalisiert, Unternehmen globalisieren sich in hohem Tempo. Wie steht es in diesem Zusammenhang mit den Anforderungen an das Personalmanagement?
Ich glaube, dass die Anforderungen an HR sich im Wesentlichen nicht geändert haben. Wir brauchen nach wie vor die besten Leute für unsere Firmen, das HR Management muss dies nach wie vor garantieren. Wir brauchen weiterhin Leute in den Personalabteilungen, die dafür sorgen, dass gute Mitarbeiter möglichst lange im Unternehmen bleiben – und genau dort eingesetzt werden, wo sie am besten und am glücklichsten sind. Diese Kernkompetenzen wurden den „Personalern“ im Prinzip schon vor 50 Jahren abverlangt.
Doch hat sich die Welt in der Tat verändert, die Globalisierung wurde durch die Digitalisierung extrem beschleunigt. Der Aktionsradius von Unternehmen und Mitarbeitern ist nicht mehr auf bestimmte lokale Punkte fixiert wie noch vor einigen Jahren, sondern erstreckt sich über immer weitere Entfernungen hinweg. Fast jede Firma ist international im Geschäft. Man verkauft nicht mehr nur lokal, sondern regional oder international. Auch die Vertriebskanäle haben sich komplett geändert, denken Sie beispielsweise an die starke Verkaufssparte Internet. Aufträge werden inzwischen international ausgeschrieben, was auch die Konkurrenzsituation auf den einzelnen Märkten globalisiert. Produkte und Dienstleistungen müssen heutzutage meist im Standard international zur Verfügung stehen, wenn ein Unternehmen sich behaupten will.
Produkte und Dienstleistungen müssen heutzutage meist im Standard international zur Verfügung stehen, wenn ein Unternehmen sich behaupten will.
Natürlich muss HR auf dieses neue Anforderungsbild im Business reagieren. Die Anforderungen sind geblieben, aber Mittel und Wege sind andere. Nehmen Sie das Beispiel einer neu zu besetzenden Stelle. Früher genügte hier die Stellenausschreibung in einer regionalen Zeitung, heute haben Sie ohne die intensive Nutzung von globalen online-Stellenbörsen kaum noch eine Chance auf die richtige Besetzung. Auch das Recruiting hat sich also globalisiert – und digitalisiert. Verändert haben sich auch die Anforderungen an die Kandidaten, gerade mit Blick auf Sprachkenntnisse, internationale Geschäftserfahrung oder interkulturelle Kommunikation. All dies muss HR im Blick haben.
Zur Bewältigung der modernisierten Aufgaben braucht HR natürlich auch die richtigen Instrumente, welche die Arbeit effektiv unterstützen. Ich denke allerdings, viele HR-Abteilungen haben gerade diesen Schritt bisher nicht gemacht, sei es aus Unkenntnis oder aber auch aus mangelnder Bereitschaft zur Veränderung Wie überall im Leben gilt jedoch auch hier: wenn man sich nicht von innen heraus verändert, geschieht die Veränderung zwangsläufig von außen.
HR hat gerade in Deutschland ein Imageproblem. In vielen Betrieben erwarten die Entscheider vom Personalmanagement schlicht die reibungslose Erledigung aller Aufgaben, sehen HR aber nicht als strategischen Partner, dessen Kompetenz mit über den Unternehmenserfolg entscheidet. In der Folge wird dann gerne auch zu wenig in HR investiert. Wie sind Ihre Erfahrungen an dieser Stelle?
Ich denke, es ist eine Mischung aus Unwissenheit und mangelnder Wertschätzung. Die Dinge der HR stehen in der Prioritätenliste der Unternehmen einfach nicht dort, wo sie stehen müssten. Ich beobachte hier allerdings auch einen Wandel: in einer wachsenden Anzahl an Unternehmen hat sich das Bewusstsein verändert und man hat festgestellt, dass HR als Partner der Unternehmensleitung überlebensnotwendig ist.
In Bezug auf die von Ihnen angesprochenen Investitionen möchte ich sagen, dass selbst die modernste technische Ausstattung noch kein Königreich schafft, entscheidend sind die Leistungen der Menschen hinter den Instrumenten. Am Ende zählt der Mensch – ob er nun im Personalbereich arbeitet oder an einer anderen Stelle der Firma. Es klingt paradox, ist aber wahr: in einer zunehmend automatisierten Arbeitswelt wird der Mensch wachsend zur entscheidenden Größe. Natürlich ist die richtige Technik eine unbedingte Voraussetzung für den Erfolg, nicht nur in HR. Doch die richtigen Instrumente unterstützen nur dann effektiv, wenn sie auch von den richtigen Menschen angewendet werden.